Was versteht man unter Beziehungslernen?
Beziehungslernen verändert die Wahrnehmung, das Erleben und Bewerten von Situationen. Wer Potenziale statt Probleme wahrnimmt, schafft einen aktivierenden, lernförderlichen Resonanzraum. Er wirkt sowohl in einzelnen Begegnungen als auch auf die ganze Klasse einladend und ermutigend.
Beziehungslernen führt zur lerntherapeutischen Haltung. Diese eröffnet einen einladenden ermutigenden Resonanzraum und stärkt Kinder und Jugendliche durch den Potenzialblick, der Zutrauen vermittelt und Potenziale erkennt.
Aus dieser Haltung gelingt es, Kinder und Jugendliche zu aktivieren und zu beteiligen, anstatt sie zu disziplinieren und zu belehren. Die Haltung hilft, im Konflikt verbunden und empathisch zu bleiben.
Wer dagegen von Erwartungen geprägt ist und sein Erleben von Situationen und Verhalten mit diesen inneren Erwartungen vergleicht, nimmt Defizite als Probleme wahr, die er nicht lösen kann. Der Problemblick schwächt und überträgt sich als beklemmender, entmutigender Resonanzraum. Er schwächt das Zutrauen und die Lernfreude.
Beziehungslernen leitet den Haltungswechsel aus der Bewertung in die Wertschätzung an. Wer offen, empathisch, souverän und lösungsorientiert unerwarteten Situationen begegnet, kann kreative Lösungen entwickeln und die Betroffenen beteiligen. Das ist so viel wirkungsvoller und vor allem gesünder als wirkungslose Appelle und Ermahnungen.
Potenzialentfaltung braucht den Potenzialblick!
Wer akzeptiert, was ist, kann intuitiv verstehen, was geschieht, empathisch Bedürfnissen erspüren und Potenziale erkennen. „Im Potenzialblick gelingt der Rollenwechsel vom Wissensvermittler zum Lernbegleiter.“ (Weiss/Breuninger 2021)
Welche Relevanz hat die Beziehung von Lehrenden und Lernenden in der Bildung?
Wer sich gesehen fühlt und ein Zutrauen in seine Lern- und Leistungsbereitschaft erfährt, leistet mehr. Alle Metastudien zur Bildungsforschung – die Hattie-Studie ist nur eine davon – belegen empirisch den Zusammenhang von Beziehung und Leistung. Viele Faktoren wurden von Hattie untersucht, wie sie auf Lernleistungen wirken. „Die Beziehung zwischen Lehrperson und Schüler oder Schülerin wirkt sich besonders stark auf die Lernleistungen der Lernenden aus. Es ist das Aktzeptiert- und Gesehenwerden und die Erfahrung, im Klassenzimmer anerkannt zu sein.“ (S. 141). „Die Lehrkräfte zeigen Verständnis für die Kinder und Jugendlichen, geben ihnen Feedback und vermitteln ihnen Sicherheit.“ (Hattie, John, 2013)
„Auch die Neurowissenschaften bestätigen die Bedeutung gelingender pädagogischer Beziehungen für den Aufbau von Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit als Grundlage von Resilienz und Lernerfolg.“
(Bauer 2019)
„In der heutigen Zeit haben immer weniger Kinder und Jugendliche noch Angst vor Autoritäten. Sie lassen sich von ihren Lehrkräften nicht mehr einschüchtern, entwerten, demütigen und unterwerfen. Sie rebellieren, drohen mit Gewalt, gehen in den Widerstand und verstricken die Lehrkräfte in Machtkämpfe. Beziehungskompetenten Lehrpersonen gelingt die Kooperation mit Kindern und Jugendlichen über inhaltliche Orientierung, souveränes Setzen von Grenzen, Wertschätzung und Würdigung.“ (Breuninger/Schley 2014)